SED in Eppstein?

Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion

In der Eppsteiner Zeitung vom 13.03.2008 war in der Rubrik „Parteien berichten“ ein langer Artikel über den Umgang der hessischen SPD mit der Partei „Die Linke“ zu lesen. Da fragt man sich doch, was das mit Eppstein zu tun hat. „Die Linke“ ist in den Eppsteiner Gremien nicht vertreten. Und doch ist ein genauer Blick auf die Dinge angebracht.

Nach der Lektüre eines solchen Artikels voller Polemik ist ein kurzer Nachhilfeunterricht in deutscher Geschichte angebracht. Die gesamte Systematik der Staatsführung der DDR darzustellen, würde den Umfang dieser Zeitung deutlich sprengen. Daher sei hier nur auf einige wichtige Punkte hingewiesen.

Die SED, die später PDS hieß und in der Partei „Die Linke“ aufgegangen ist,  war nur eine von vielen Parteien in der DDR-Volkskammer. Sie hatte 117-127 von 400-500 Sitzen, je nachdem, welche Wahlperiode man betrachtet. Die Volkskammer wählte den Staatsrat, der das kollektive Staatsoberhaupt der DDR war. Seine Vorsitzenden waren Walter Ulbricht, Willi Stoph und Erich Honecker. Die Stellvertreter waren die Vorsitzenden der Blockparteien,  zu diesen gehörten unter anderem die CDU (Ost), die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, LDPD, und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands, DBD.

Ein Volkskammerbeschluß konnte allein mit den Stimmen der SED nicht zustande kommen, es bedurfte dazu auch der Stimmen der anderen Blockparteien.

Neben der Wahl des Staatsrats faßte die Volkskammer unter anderem die folgenden Beschlüsse:

Mit Beschluß vom 11.August 1961 gab die Volkskammer dem Ministerrat grünes Licht für den Mauerbau am 13.August 1961.
Am 12. Januar 1968 verabschiedete die Volkskammer ein neues Strafgesetzbuch,  nach dem die sogenannte Republikflucht mit bis zu 8 Jahren Haft bestraft wird, eine deutliche Strafverschärfung gegenüber der vorherigen Regelung.
In der Verfassung der DDR von 1974 wird der in der Verfassung von 1968 noch enthaltene Wiedervereinigungsauftrag gestrichen.

Die Blockparteien CDU (Ost), LDPD und DBD waren also maßgeblich an dem, in vielen Bereichen, menschenverachtenden System der DDR beteiligt.

Was ist aus diesen Parteien geworden? Im Juli 1990 schloss sich die DBD der CDU (Ost) an und im Oktober 1990 vereinigte sich die CDU (Ost) mit der bundesdeutschen CDU.

Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, LDPD, vereinigte sich Im August 1990 mit der FDP.

Mehrere der alten Blockparteien, ohne die kein Volkskammerbeschluß zustande gekommen wäre, sind also in CDU und FDP aufgegangen. Daher müssen sich CDU und FDP auch nicht der Diskussion aussetzen, wie man mit ihnen umgeht, ob man gar mit ihnen koaliert. Wer eine Partei in die eigene Organisation aufnimmt, braucht keine Koaliation mit ihr einzugehen. Und so sitzen die alten Blockparteien, mit Ausnahme der SED, in den Eppsteiner Gremien.

Aber mit einem Satz hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung doch recht gehabt: „Wer kein Geschichtsbewußtsein hat, dem geht der Blick für die Realitäten verloren.“

Wolfgang Schlüter

zurück